Kontrollverlust im Nebel des Grauens

Wie Abgeordnetenwatch berichtet, haben noch 6% der Wähler ein positives Bild von unseren Politikern.

Oh, doch noch so viele! Das müssen die ohne Internet sein.
Es reicht ja schon, die bekannten Nachrichtenportale halbwegs kritisch zu lesen, um zu erkennen, welche Lügen uns Politiker täglich auftischen. Wenn man dann noch in Blogs herumstöbert, findet man stellenweise auch ganz andere Aussagen, die in einem unachtsamen Moment gefallen sind und im Mainstream verschwiegen werden, bis es nicht mehr geht. Und dann dementiert werden, bis es nicht mehr geht.

Auch Constanze Kurz, die für den Chaos Computer Club in der Enquete-Kommission Internet sitzt, kann davon ein Lied singen:

Es gibt einen enormen Unterschied im Diskussionsniveau zwischen den geschlossenen Sitzungen und den offenen Debatten der Enquete. Da müssen sich die Damen und Herren schon fragen, ob das nicht auch ein Grund für die Politikverdrossenheit ist. Wenn jeder implizit weiß, dass in der Öffentlichkeit vor allem Phrasen verbreitet werden, warum soll ich mich dann noch beteiligen wollen?

Nein, da brauchen sie sich wirklich nicht zu wundern.
Es wundert auch nicht weiter, dass dieses Verhältnis auf Gegenseitigkeit beruht, wie Nikolaus Blome, der Leiter des Hauptstadtbüros der BILD, und damit ein ausgewiesener Kenner der Materie, in seinem neuen Buch „Der kleine Wählerhasser“ beschreibt.

Der Tenor: Das Wahlvolk ist undankbar und unberechenbar, aber weiterhin leicht zu verführen. Klartext kann man ihm selten zumuten. Die Frustration zieht sich durch alle Parteien, so Blome.

Das Buch sei die „Frucht von zehn Jahren zuhören“ in Hintergrundkreisen und auf öffentlichen Veranstaltungen, sagt Blome. „Der Wähler is a Sau“, „Das verstehen die Leute eh nicht“ oder „Das kann man nicht laut sagen“.

Die Politiker handeln also angeblich zum Wohle eines Volkes, das sie in Wirklichkeit ob seiner gefühlten Dummheit verachten!
Der Fehlschluss, den sie da aber ziehen, ist der, dass sie meinen, das Volk wäre noch dümmer als sie.

Früher, als das Leitmedium noch BILD hieß, mag das auch funktioniert haben, aber im Internetzeitalter ist das nicht mehr so einfach.
Unerhört, dass sich plötzlich jeder Bürger direkt an seine Politiker wenden und Fragen stellen kann und auch noch ehrliche Antworten erwartet! Das müssen doch extremistische Aktivisten sein! Deshalb bleiben die meisten Fragen auch unerhört.

Denn aus dem diffusen Nebel des Internets steigt das reine Grauen: der Souverän! Ein Monster mit Millionen Köpfen.

Alle Politiker befürchten Kontrollverlust, nur nicht Sabine, die macht gute Miene.

5 Antworten to “Kontrollverlust im Nebel des Grauens”

  1. NahDran Says:

    Das beste Beispiel für die Arroganz unserer Politikerkaste war die Guttenberg-Affäre.

    Anstatt clever zu reagieren, hat der Herr von und zu erstmal mit allergrösster Rotzigkeit dementiert. „Wir machen keine Fehler.“ Und das nicht etwa aus Selbstüberheblichkeit, sondern aus der reinen Gewohnheit dieser Kaste heraus, GRUNDSÄTZLICH erstmal zu dementieren. Ob man ihn dazu seitens seiner Parteigenossen auch noch extra angestiftet hat, sei dahingestellt. (Wundern würde es einen nicht. Siehe unten)

    Das kennt man noch von Kohl („Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter.“) und in den letzten Jahren vor allem von Westerwelle.

    Zwischenzeitlich allerdings haben die Leute die Nase voll von diesem Gehabe. Man verweigert ihnen Lohnerhöhungen, sie müssen auf immer mehr verzichten, während andere immer reicher werden und alles hat Angst vor Hartz IV und der damit implizierten Zwangsarbeit. Da werden Überheblichkeit und Narrenfreiheit einer privilegierten Kaste durchaus wahrgenommen.

    Ganz davon zu schweigen, dass die Informationsquellen von den politisch kontrollierten Medien immer stärker hin zum „freien“ Internet tendieren. (Kein Wunder also, dass es die Politik als massive Bedrohung ihrer Interessen empfindet.)

    In Guttenbergs Fall wird allerdings auch eindeutig, dass der Mann seitens der CSU-Spitze (vermutlich Seehofer) abgeschossen wurde. Denn wo solche politischen Seilschaften wie an der Uni Bayreuth existieren, werden sie normalerweise immer von der „Omertà“ der Profiteure beschützt. In dem Fall aber wollte man unbedingt einen unbequemen Konkurrenten loswerden. Und da der Schaden massgeblich die ungeliebte Regierung Merkels und nicht etwa die politischen Verhältnisse in Bayern betrifft, hat man die Konsequenzen billigend in Kauf genommen.

    Dass aber auch das Volk insgesamt immer stärker von der Politik als Bedrohung empfunden wird, merkt man daran, wie der Staat immer weiter mit Repression, Einschränkung von Grundrechten (z.B. bei Demonstrationen) und Überwachung dagegen aufrüstet. Und oft auch schon zum eigenen Schaden dabei überreagiert (man denke nur an den „blutigen Donnerstag“ bei Stuttgart 21). Aber auch die gewünschten (bzw. z.T. schon umgesetzten) Einsätze der Bundeswehr im Inneren sprechen BÄNDE!

  2. Chapeau! @Arno & NahDran.

    Eigentlich müsste man sagen, es war ja schon immer so, dass die Politik das Volk verachtet. Allerdings, das habt Ihr wunderbar herausgekehrt, gab es wohl bis jetzt noch keine Zeit, in der das Volk durch alle Gesellschaftsschichten hinweg die Politik, besser die Politiker, so sehr verachtet hat wie heute. Und das, obwohl es doch von Herzen gerne einen Führer, sorry, Leader, lieben will. Siehe Lügenbaron.

    Der Unterschied: die einen verachten die vermeintlich Dummen, die anderen die ausgemacht skrupellosen, dafür aber in der Sache unqualifizierten, Interessenvertreter von Hochfinanz und Großkonzernen. Denn die Politik ist eine Hure. Jeder nimmt sie sich so, wie er sie braucht.

    Allerdings hat das Volk die Faxen dicke von den politischen Zuhältern. Es will nicht immer und immer wieder dafür zur Kasse gebeten werden, dass die Freier das Volk erst vergewaltigen und hinterher auch noch ausrauben dürfen.

    Um so mehr die einen Werte verlieren oder mit Füßen treten um, in welcher Form auch immer, zu profitieren, um so wichtiger und essenzieller werden die Werte für die anderen, die den Profit, in welcher Form auch immer, bezahlen sollen.

    Aus dem diffusen Gefühl verarscht zu werden, wird mehr und mehr die Gewissheit, dass es so ist. Das Internet macht´s möglich. Wenn das Volk auf seine Werte pocht, hat keine Diktatur eine Chance – und schon gar nicht so eine Marionettendemokratie wie die unsere.

    Denn Führer sind Menschen, die die anderen unendlich nötig haben. Diesen Fakt beginnt das Volk langsam zu begreifen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die ersten Führer „entführt“ werden (wenn mir dieses kleine Wortspiel erlaubt ist). ;o)

    Mit schönen Grüßen in die Hauptstadt

    Olaf

  3. Danke für eure schönen Beiträge.

    Gerade der Fall Guttenberg zeigt ja, dass das Internet mittlerweile gesellschaftlich relevanter (und auch intelligenter) ist als der Boulevard. Bis vor kurzem noch unvorstellbar.

    Vielleicht siegt ja doch noch die Aufklärung 2.0, bevor es zum Weltuntergang 1.0 kommt.

  4. Ich habe mir auch mal einen anderen, ursächlichen Aspekt für die bestehenden Zustände, nämlich die Diskussionskultur, hergenommen und mir anstelle von Abendessen Gedanken gemacht. Es würde ich freuen, wenn (nicht nur) ihr Beiden die Zeit fändet, das zu lesen.*

    http://www.wort-schuetzen.de/wp/?page_id=3576

    Vielen Dank dafür.

    *Ich entschuldige mich vorsorglich für die Bettelei, aber es ist so furchtbar selten, dass man mit Menschen kommunizieren kann bei denen klar ist, dass sie von ihrem Verstand auch wirklich Gebrauch machen. Ja ich weiß, das klingt mächtig arrogant. Scheiße. Aber was kann ich für die Wahrheit…?

  5. […] arnarscho: Kontrollverlust im Nebel des Grauens […]

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